Island ist bekannt für seine beeindruckenden Naturgewalten – darunter Vulkane, Gletscher, heiße Quellen und Erdbeben. Doch was sich in den letzten Jahren auf der Reykjanes-Halbinsel im Südwesten des Landes abspielt, ist selbst für dieses geologisch aktive Land außergewöhnlich. Nach einer rund 800-jährigen Ruhephase ist die Region seit dem Jahr 2021 wieder aktiv – und das mit zunehmender Intensität. Die Menschen in der Gegend leben inzwischen mit der ständigen Bedrohung durch neue Eruptionen, Erdbeben und Lavaflüsse.
Der erste Ausbruch dieser neuen Aktivitätsphase ereignete sich im März 2021 im Gebiet rund um den Berg Fagradalsfjall. Die Spalteneruption war spektakulär, aber relativ ungefährlich – ein regelrechtes „Touristen-Feuerwerk“. Die Lava floss ruhig aus einer etwa 700 Meter langen Spalte und formte neue Landschaften, die Tausende Schaulustige anzogen. Das Ereignis wurde weltweit als friedlicher Vulkanausbruch gefeiert – Island hatte ein neues Naturwunder. Doch was zunächst wie ein einmaliges Naturspektakel wirkte, entpuppte sich bald als Beginn einer neuen vulkanischen Ära.
In den folgenden Jahren kam es zu weiteren Ausbrüchen in der Region. Im August 2022 öffnete sich erneut eine Spalte, diesmal wenige Kilometer nordöstlich des ursprünglichen Ausbruchsgebiets. Auch hier floss Lava, diesmal jedoch schneller und in größerer Menge. Im Juli 2023 folgte die dritte Eruption innerhalb von zweieinhalb Jahren – ein deutliches Zeichen dafür, dass sich unter der Reykjanes-Halbinsel ein dauerhaft aktives System etabliert hat. Geologen gehen mittlerweile davon aus, dass diese Phase vulkanischer Aktivität Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte andauern könnte – ähnlich wie frühere vulkanische Zyklen in Islands Geschichte.
Besonders besorgniserregend ist die Entwicklung rund um das Svartsengi-Vulkansystem, das sich nördlich von Grindavík und in unmittelbarer Nähe der bekannten Blauen Lagune befindet. Seit Ende 2023 ist dort eine neue Eruptionsserie im Gange – dieses Mal im Bereich der Sundhnúkur-Kraterreihe. Die Eruptionen finden in deutlich kürzeren Abständen statt und sind intensiver als zuvor. Bis April 2025 wurden bereits acht einzelne Ausbrüche registriert, einige davon mit erheblichem Lavaausstoß.
Die Auswirkungen auf das Leben der Menschen vor Ort sind gravierend. Der Küstenort Grindavík musste mehrfach evakuiert werden, und im Januar 2024 erreichte die Lava erstmals das Siedlungsgebiet. Mehrere Häuser wurden zerstört. Auch die Blaue Lagune, eines der beliebtesten Touristenziele Islands, musste wegen Erdbeben und Lavaströmen immer wieder kurzfristig geschlossen werden. Die Behörden reagierten schnell und begannen mit dem Bau von Schutzwällen und Dämmen, um die Infrastruktur zu sichern – unter anderem auch die wichtige Warmwasser- und Stromversorgung aus dem Geothermalkraftwerk Svartsengi. Zur Finanzierung dieser Schutzmaßnahmen wurde eine temporäre Sondersteuer eingeführt.
Parallel zur Bedrohung durch Lava und Eruptionen registrieren die seismologischen Dienste regelmäßig starke Erdbebenschwärme, die auf die Bewegung von Magma unter der Erdoberfläche hindeuten. Aktuelle geologische Untersuchungen zeigen, dass sich unter der Region eine weit verzweigte Magmakammer gebildet hat. Sie erstreckt sich über mehrere Kilometer und liegt in etwa 9 bis 11 Kilometern Tiefe. Forscher vermuten, dass diese Kammer die Hauptquelle für die jüngsten Eruptionen ist – und sie wächst weiter.
Trotz aller Herausforderungen ist Island bemerkenswert gut vorbereitet auf solche Naturereignisse. Das Land verfügt über ein hochmodernes Frühwarnsystem, einen funktionierenden Katastrophenschutz und eine Bevölkerung, die an das Leben mit der Naturgewalt gewöhnt ist. Dennoch sind die Unwägbarkeiten der aktuellen Lage nicht zu unterschätzen – vor allem, weil sich die vulkanische Aktivität in einer Region mit dichter Infrastruktur und wachsendem Tourismus abspielt. Der Flugverkehr ist nicht eingeschränkt. Die Ausbrüche sind nicht vergleichbar mit dem Eyjafjallajökull Ausbruch von 2010.
Die Lage auf der Reykjanes-Halbinsel bleibt dynamisch. Neue Ausbrüche können sich innerhalb weniger Stunden ankündigen – oder ganz ausbleiben. Sicher ist nur: Die Region hat sich dauerhaft verändert. Wo früher ruhige Landschaften lagen, formen sich nun Krater und Lavaströme. Island wird seinem Ruf als „Insel aus Feuer und Eis“ wieder einmal mehr als gerecht.
Sollte es zu weiteren Ausbrüchen kommen werden Updates diesbezüglich hier aktualisiert!
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